Gemeinsam mit unserem Mitglied Centre for Development and Environment (CDE) der Universität Bern hat die Geschäftsstelle der Kakaoplattform an einem Seminar mit dem Titel "Towards sustainable cocoa: assessing governance strategies and their theories of change" (Deutsch: Auf dem Weg zu nachhaltigem Kakao: Bewertung der Governance-Strategien und deren Theorien des Wandels) mitgewirkt. Das Master-Seminar startete im Herbstsemester 2022 und analysierte und diskutierte, wie und unter welchen Bedingungen Governance-Strategien geeignet sind, zur Nachhaltigkeit der Kakao-Wertschöpfungsketten in der Schweiz beizutragen.
Zu den wichtigsten Governance-Strategien im Kakaosektor gehören:
– regulatorische Massnahmen in der Schweiz, der EU und in den kakaoproduzierenden Ländern;
– freiwillige Nachhaltigkeitsstandards (z.B. Zertifizierungen);
– Kooperativen und kollektives Handeln der Produzentinnen und Produzenten;
– integrative Wertschöpfungsketten;
– und Landschaftsansätze.
Entwicklung von Theorien des Wandels
Alle Studierenden konzentrierten sich auf ausgewählte Strategien und Nachhaltigkeitsziele (z.B. existenzsicherndes Einkommen, entwaldungsfreie Lieferketten) in einer bestimmten kakaoproduzierenden Region. Jede und jeder Teilnehmende analysierte, inwieweit die ausgewählten Strategien zu den Nachhaltigkeitszielen beitragen können. Die Studierenden sichteten wissenschaftliche Literatur, führten Interviews mit Expertinnen und Experten durch und entwickelten eine Theorie des Wandels, sogenannte Theories of Change (ToC). Diese sind eine Methode aus der Entwicklungszusammenarbeit und der Nachhaltigkeitswissenschaft, um Interventionen zu konzipieren und zu bewerten. Sie formulieren die Zusammenhänge zwischen Nachhaltigkeitszielen, Diagnosen, Wissenslücken, Kontextbedingungen, Aktivitäten, Wirkungsketten und methodischen Annahmen. Die Theorien des Wandels der Studierenden können in der Galerie am Ende dieser Seite betrachtet werden.
Für eine Region in Madagaskar kam Sandra F. zu dem Schluss, dass die folgenden Hebel in Bewegung gesetzt werden müssen, um eine positive Veränderung des bestehenden Systems zu erreichen: Verbesserung der Landverwaltung, partizipative Entwicklung von koordinierten Landmanagementstrategien, Förderung von Innovationen auf Betriebsebene und Stärkung der Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen (NRO) und dem Privatsektor. Zur Seminararbeit
Für eine bestimmte Region in Côte d'Ivoire stellte Samuel W. fest, dass die Agroforstwirtschaft, insbesondere durch die Einführung eines CREMA-Ansatzes (Community Resource Management Area), ein möglicher Beitrag zur Bekämpfung der grossflächigen Entwaldung und der schlechten wirtschaftlichen Leistung der gegenwärtigen kleinbäuerlichen Kakaoproduktion sein könnte. Ausserdem stellte er fest, dass höhere Erträge und Einkommen allein nicht ausreichen, um den Lebensunterhalt der Bäuerinnen und Bauern zu sichern. Zur Seminararbeit
Mit dem Schwerpunkt auf einen Landschaftsansatz in Ghana stellte Lia H. fest, dass die Stärkung von Kooperativen und die Verbesserung von integrativen Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodellen die wichtigsten Stellschrauben sind, um ein existenzsicherndes Einkommen für die Bäuerinnen und Bauern zu erreichen. Ausserdem kommt sie zu dem Schluss, dass integrative Geschäftsmodelle immer noch als Nischeninnovation betrachtet werden. Hätten Bäuerinnen und Bauern oder bäuerliche Kooperativen jedoch eine Kapitalbeteiligung, könnten sie einen größeren Anteil an den Gewinnen aus dem Schokoladenverkauf erzielen. Dies wird durch Studien untermauert, die zeigen, dass das Einkommen durch einen solchen Ansatz erheblich gesteigert und die Risiken entlang der Wertschöpfungskette verteilt werden könnten. Allerdings müssen mehrere Massnahmen gleichzeitig ergriffen werden, um eine Auswirkung auf das Einkommen der Bäuerinnen und Bauern zu gewährleisten. Zur Seminararbeit
Auf der Grundlage ihrer Analyse des Kakaosektors in Kolumbien kommt Nora H. zum Schluss, dass "ein Landschaftsansatz der beste Weg ist, um alle notwendigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Ausweitung der Agroforstsysteme für Kakao zu schaffen", da er "Ressourcen bündelt und alle relevanten Akteure einbezieht, was zu einer besseren Abstimmung und Koordinierung der Aktivitäten der Akteure in eine bestimmte Richtung führt". Zur Seminararbeit
Oliver C. konzentriert sich auf Ecuador, den grössten Kakaoproduzenten Lateinamerikas, und sieht in einer Mischung aus Massnahmen im Bereich der nativen Sorten, Agroforstwirtschaft, optimierten Nachernteverfahren und Marktinterventionen vielversprechende Perspektiven für eine nachhaltigere Existenzsicherung für die Produzentinnen und Produzenten. Zur Seminararbeit
Bei der Untersuchung der peruanischen Kakaolandschaften zeigt Aline V. auf, dass die Rückverfolgbarkeit und die Einbeziehung von Bäuerinnen und Bauern in Landschaftskonzepte wichtige Hebel für entwaldungsfreie Lieferketten sind. Zur Seminararbeit
Empfehlungen des Seminars für Landschaftsansätze
Der finale Teil des Seminars war ein zweitägiges Blockseminar am 9. und 10. Februar. Der erste Tag war in erster Linie dem Austausch und der Diskussion der Forschungsergebnisse der Studierenden aus ihren Seminararbeiten gewidmet. Am zweiten Tag fand eine Podiumsdiskussion mit Forscherinnen und Forschern des CDE statt, die über ihre Erfahrungen mit Preisbildungsmechanismen, politischen Hebeln, Kakao als Teil von Lebensmittelsystemen und Multi-Akteurs-Plattformen sprachen.
Auf der Grundlage der wissenschaftlichen Analysen in den Seminararbeiten der Studierenden und des Fachwissens aus der Podiumsdiskussion fassten die Seminarteilnehmenden die wichtigsten Erkenntnisse über Wirkungspfade, Voraussetzungen und Risiken zu konkreten Empfehlungen für Programme mit Landschaftsansätzen zusammen, die auf existenzsichernde Einkommen und entwaldungsfreie Kakao-Wertschöpfungsketten abzielen:
Management von Landschaftsansätzen für nachhaltigen Kakao:
– Kooperationskulturen: In Projekten mit Landschaftsansatz entstehen oft neue Beziehungen zwischen Personen und Organisationen, die zuvor nicht zusammengearbeitet haben. Daher sind ausreichend Zeit und die Förderung einer Kooperationskultur eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass Vertrauen, gegenseitiges Verständnis und gemeinsame Interessen entstehen können.
– Inklusives Management: Landschaften sind geografische Räume voller gemeinsamer und konkurrierender Ansprüche auf Landnutzung. Daher müssen Projekte mit Landschaftsansatz Strategien zur Einbeziehung und zum Lernen anwenden, indem sie neben wissenschaftlichen Erkenntnissen auch lokales Wissen berücksichtigen und wertschätzen und marginalisierten Gruppen sichere Räume bieten.
– Agiles Projektmanagement für einen „smart Mix“: Landschaftsbezogene Ansätze bieten vielversprechende Möglichkeiten, mehrere Interventionen auf clevere Weise auf Landschaftsebene zu kombinieren, aber ihre Kohärenz kann nicht als selbstverständlich angesehen werden. Daher sind agile Managementpraktiken erforderlich, um im Laufe der Zeit mehr Kohärenz zu erreichen.
Wege zu einem existenzsichernden Einkommen:
– Mehrere Nachhaltigkeitsziele verfolgen: Die Ziele eines existenzsichernden Einkommens und eines entwaldungsfreien Kakaos können in Widerspruch zueinander stehen, zum Beispiel wenn die Ausweitung der Landwirtschaft das Einkommen auf Kosten der Wälder fördert. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, nur nachhaltige Landnutzungspraktiken anzuwenden, die beide Ziele miteinander vereinbaren und nicht gefährden.
– Stärkung der Rolle der Frauen: Wo die Gleichstellung der Geschlechter nicht gegeben ist, ist die Stärkung der Rolle der Frau nicht nur ein Selbstzweck, sondern ein entscheidender Weg zur Erzielung eines existenzsichernden Einkommens.
– Wertvorstellungen neu überdenken: Ein existenzsicherndes Einkommen der Kakaoproduzentinnen und -produzenten wird ohne integrative Lieferketten, die eine grössere Wertschöpfung und Teilhabe der Produzentinnen und Produzenten ermöglichen, kaum möglich sein. Unternehmensentwicklung und kollektives Handeln unter den Erzeugerinnen und Erzeugern, z.B. in Kooperativen, kleinen und mittleren Unternehmen oder integrativen Geschäftsmodellen, können geeignete Instrumente sein.
Wege zu entwaldungsfreiem Kakao:
– Anwendung konfliktsensibler Ansätze im Projektmanagement: In vielen Grenzregionen der Entwaldung kommt es häufig zu Konflikten. Daher können konfliktsensible Managementansätze wertvolle Instrumente sein, um die Einbindung und Mitwirkung der Menschen zu maximieren und eine Eskalation von Konflikten zu verhindern.
– (Co-)Entwicklung eines Landschaftsmanagementplans: Es ist notwendig, gemeinsam mit den relevanten Interessengruppen Prioritäten in Bezug auf Landnutzungssysteme, Flächen und Aktivitäten festzulegen. Gebiete mit hohem ökologischen Wert und geeignete Agroforstsysteme tragen beispielsweise dazu bei, ein funktionierendes Ökosystem aufrechtzuerhalten, das den lokalen Bedürfnissen entspricht und lokal verursachte Entwaldung verhindert.
– Kommunikationsstrategie festlegen: Lokale Interessengruppen erhalten oft keine relevanten Informationen über die Wertschöpfungskette und die Vorschriften zur Erhaltung der biologischen Vielfalt, wie z.B. Normen oder Schutzgebietsvorschriften, oder verstehen diese nicht. Es ist wichtig, Informationen in einer für diese lokalen Interessengruppen zugänglichen Form bereitzustellen, um die Bereitschaft zur Einhaltung der Vorschriften zu fördern.
Für die Kakaoplattform war es eine Freude zu sehen, welche Fortschritte die Studierenden im letzten Semester gemacht haben und wie sie zu zukünftigen Expertinnen und Experten für die Herausforderungen und Handlungsmöglichkeiten im Kakaosektor geworden sind. Wir danken Prof. Dr. Christoph Oberlack und Dr. Ravaka Andriamihaja für die Einladung und den Referentinnen und Referenten Dr. Irene Musselli, Samuel Brülisauer, Patricia Schmid und Jimena Solar für ihre Beiträge während der Podiumsdiskussion.