Existenzsicherndes Einkommen
Die meisten Kakaobäuerinnen und -bauern haben ein sehr geringes Einkommen. Die Mitglieder der Schweizer Plattform für Nachhaltigen Kakao unterstützen Bäuerinnen und Bauern deshalb unter anderem durch höhere Kakaopreise, bessere Ernteerträge oder bei der Diversifizierung ihres Einkommens.
Um was geht es?
Für viele Kakaobäuerinnen und -bauern reicht das Geld, das sie mit dem Anbau von Kakao verdienen, kaum zum Überleben. Daher werden landwirtschaftliche Nutzflächen häufig unkontrolliert ausgeweitet, um den Ertrag der oft kleinen Anbauflächen zu erhöhen. Zudem können es sich Kakaobäuerinnen und -bauern oftmals nicht leisten, zusätzliche Arbeitskräfte zu bezahlen oder die Kosten für den Schulbesuch ihrer Kinder zu tragen. Aus diesem Grund müssen in vielen Familien die Kinder beim Kakaoanbau stark mithelfen – häufig auf Kosten ihrer Bildung sowie physischen und psychischen Gesundheit. Viele der Herausforderungen im Kakaosektor lassen sich somit auf die Armut der Kakaobäuerinnen und -bauern zurückführen.
Das Konzept des existenzsichernden Einkommens
Ein existenzsicherndes Einkommen für Kakaobäuerinnen und -bauern ist von zentraler Bedeutung für die nachhaltige Entwicklung des Kakaosektors. Das Konzept des existenzsichernden Einkommens (Engl.: „Living Income“) bezieht sich auf das jährliche Nettoeinkommen, das ein Haushalt benötigt, um am jeweiligen Wohnort einen angemessenen Lebensstandard für alle Mitglieder des Haushalts zu gewährleisten.
Folgende Aspekte werden bei der Berechnung eines existenzsichernden Einkommens einbezogen: die ortsspezifischen Lebenserhaltungskosten für Nahrung, Wasser, Wohnen, Bildung, Gesundheitsversorgung, Transport, Kleidung und andere wesentliche Bedürfnisse, einschliesslich Rücklagen für unerwartete Ereignisse. Diese Ausgaben werden dem Nettoeinkommen des landwirtschaftlichen Betriebs sowie zusätzlichen Einkommensquellen innerhalb und ausserhalb des Betriebs entgegengestellt. Sind die Ausgaben gleich hoch, gilt das Einkommen als existenzsichernd. Sind die Ausgaben höher als die Einnahmen, besteht eine Einkommenslücke (siehe nachfolgende Grafik).
Im Rahmen von sogenannten Benchmark-Studien werden Referenzwerte für ein existenzsicherndes Einkommen berechnet, welche die differenzierten lokalen Lebensumstände bestmöglich widerspiegeln. Dabei berücksichtigen sie beispielsweise Unterschiede zwischen urbanen, peri-urbanen und ruralen Lebenshaltungskosten. An diesen Referenzwerten können sich relevante Akteure orientieren, um die Einkommenslücken von Produzentinnen und Produzenten in der eigenen Lieferkette berechnen zu können. Eine andere Möglichkeit für Referenzwerte sind die Preise, die von standardsetzenden Organisationen wie Fairtrade Max Havelaar veröffentlicht werden. Diese spiegeln wider, wie hoch der Preis für einen Agrarrohstoff in einer bestimmten Region sein muss, um den Bäuerinnen und Bauern ein existenzsicherndes Einkommen zu gewähren.
Der Unterschied zu traditionellen Armutsindikatoren
Ein existenzsicherndes Einkommen geht somit einen Schritt weiter als die traditionellen Armutsindikatoren wie beispielsweise nationale Armutsgrenzen. Diese konzentrieren sich vornehmlich auf die Grundversorgung und das Überleben, jedoch nicht auf die verschiedenen Regionen und Rohstoffsektoren. Zudem sind sie manchmal veraltet oder berücksichtigen die aktuelle Inflationsrate nicht (siehe nachfolgende Grafik zur Situation in Ghana).
Was es zum Erreichen eines existenzsichernden Einkommens braucht
Für die Erzielung eines existenzsichernden Einkommens sind folgende Stellschrauben relevant: (1) Preis, (2) Ertragssteigerung, (3) Senkung der Produktionskosten, (4) Einkommensdiversifizierung und (5) Verbesserung der Rahmenbedingungen und der lokalen Gouvernanz. Um eine langfristige Wirkung zu erzielen, ist eine enge Zusammenarbeit aller Akteure entlang der Kakaowertschöpfungskette notwendig. In der Elfenbeinküste und Ghana ist der Kakaoanbau beispielsweise staatlich geregelt. Das heisst, dass staatliche Institutionen die Qualität des Kakao kontrollieren und den Preis für Kakao steuern. Um ein höheres Einkommen für die Kakaobauern und -bäuerinnen zu erzielen, können die Unternehmen in diesen Ländern daher nicht einfach einen höheren Preis für den Kakao zahlen. Stattdessen braucht es beispielsweise Anstrengungen zur Diversifizierung des Einkommens oder zur Steigerung der Erträge. In anderen Anbauländern wie Madagaskar, Ecuador oder Peru können Unternehmen indes einen höheren Preis direkt an die Kakaobäuerinnen und -bauern zahlen. In beiden Fällen sind Transparenz und Rückverfolgbarkeit zentral, um jedwede Aktivitäten möglichst zielgenau durchzuführen.
Wie man die Komponenten eines existenzsichernden Einkommens misst
Um die Haushaltseinkommen von Bäuerinnen und Bauern bestmöglich zu verstehen, werden verwandte Konzepte durch Belege mit unterschiedlichen Methoden gestützt. Die Cocoa Household Income Study (CHIS) wurde von der branchenweiten Alliance on Living Income (ALICO) entwickelt, um einen harmonisierten Ansatz zur Bewertung des Status des existenzsichernden Einkommens von Haushalten zu schaffen. IDHs Income Measurement Tool basiert auf der CHIS, während DIASCA alternative Indikatoren und methodische Leitlinien zur Bewertung von Haushaltseinkommen und Produktionskosten vorschlägt.
Der Living Income Benchmark (LIB) liefert Referenzwerte für ein existenzsicherndes Einkommen, die so berechnet werden, dass sie die lokalen Lebensbedingungen so genau wie möglich widerspiegeln. Diese Benchmarks können Unterschiede bei den Lebenshaltungskosten zwischen städtischen, stadtnahen und ländlichen Gebieten berücksichtigen. Beim Vergleich von Einkommensdaten mit dem LIB können diese Referenzwerte zur Berechnung der Einkommenslücken von Produzenten innerhalb ihrer eigenen Lieferketten verwendet werden. Eine weitere potenzielle Quelle für Referenzwerte sind die von Standardisierungsorganisationen wie Fairtrade Max Havelaar veröffentlichten Preise: die Living Income Reference Prices (LIRP). Diese Preise geben an, wie hoch der Preis für ein landwirtschaftliches Erzeugnis in einer bestimmten Region sein muss, um den Bäuerinnen und Bauern ein existenzsicherndes Einkommen zu ermöglichen.
Die Schweizer Plattform für Nachhaltigen Kakao arbeitet proaktiv mit der Alliance on Living Income zusammen, die als Ergebnis der Berliner Erklärung von 2018 gegründet wurde. Daher waren wir maßgeblich an der Entwicklung und Umsetzung der Methodik der Kakao-Haushaltseinkommensstudie beteiligt. Im Jahr 2024 wurde eine gemeinsame Kakao-Haushaltseinkommensstudie mit dem Ghana Cocoa Board (COCOBOD) für Ghana und mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in der Elfenbeinküste durchgeführt.
Die Ziele der Kakaoplattform gemäss Fahrplan 2030
Die Kakaoplattform hat sich im Bereich des existenzsichernden Einkommens folgende Ziele bis 2030 gesetzt:
- Alle Mitglieder der Kakaoplattform sind in mindestens zwei Bereichen aktiv, die für die Erzielung eines existenzsichernden Einkommens entscheidend sind: (1) Preis, (2) Ertragssteigerung, (3) Senkung der Produktionskosten, (4) Einkommensdiversifizierung und (5) Verbesserung der Rahmenbedingungen und der lokalen Gouvernanz.
- Die Lieferkettenpartner tragen gemeinsam zu einem existenzsichernden Einkommen bei, indem sie die Anstrengungen der Kakaobauern/-bäuerinnen im Bereich Nachhaltigkeits- und Qualitätsaspekte speziell belohnen.
- Die Kakaoplattform führt mit Mitgliedern und Partnern eine globale Wirkungsstudie zur Messung der Haushaltseinkommen durch.
Zwischen dem vierten Quartal 2024 und dem zweiten Quartal 2025 werden wir den Fahrplan überprüfen. Die wichtigsten Zielbereiche werden unverändert bleiben, aber wir werden uns ehrgeizigere spezifische Ziele setzen, um auf Veränderungen wie etwa die Kakaopreise und -erträge, die sich entwickelnden Auswirkungen des Klimawandels, anstehende Vorschriften und deren Auswirkungen sowie andere neue Faktoren zu reagieren.
Mehr erfahren zum Fahrplan 2030 (auf Englisch)
Ausgewählte Projekte im Bereich Einkommen
Verschiedene Mitglieder der Kakaoplattform führen Projekte für ein existenzsicherndes Einkommen durch. Diese Projekte erhielten dank der Vermittlung der Geschäftsstelle einen Beitrag vom Staatssekretariat für Wirtschaft SECO.
Sankofa Projekt 2.0
Dieses Projekt in Ghana zielt darauf ab, die Lebensgrundlage der Kakaobäuerinnen und -bauern zu verbessern. Es wird ihnen auch helfen, sich an den Klimawandel anzupassen. Das Projekt trägt durch dynamische und nahrungsmittelbasierte agroforstwirtschaftliche Anbaumethoden, die weithin als beste Praktiken gelten, zur Eindämmung des Klimawandels bei. Mehr über das Projekt erfahren
Sortenvielfalt und Diversifizierung der Einkommen im dominikanischen Kakaoanbau
Dieses Projekt zielt darauf ab, die reiche biologische Vielfalt in den heutigen Kakao-Agroforstsystemen der Dominikanischen Republik zu erhalten und einen Trend zur Monokultur zu verhindern. Mehr über das Projekt erfahren
Projekt Akwaaba
Jedes Jahr werden mehr als 100 Millionen Menschen aufgrund von gesundheitsbedingten Ausgaben in extreme Armut gedrängt, viele von ihnen sind Kleinbäuerinnen und Kleinbauern entlang der globalen Lieferketten. Das Akwaaba-Projekt sichert 1’600 Bäuerinnen und Bauern und ihren Familien in der Ostregion Ghanas den Zugang zur Gesundheitsversorgung und sammelt gleichzeitig detaillierte Daten, um die Auswirkungen auf die Gesundheit und die Beseitigung von Armut und Kinderarbeit zu überwachen. Mehr über das Projekt erfahren